Als Hoteleigentümerin, ÖHV-Präsidentin und nun auch Vorstandsmitglied von respACT, sind Sie wahrlich eine vielbeschäftigte Powerfrau. Bleibt da noch Zeit für Privates?
Ja, so viel Zeit muss sein. Einerseits bin ich leidenschaftliche Oma. Dadurch, dass meine beiden Kinder im Ausland leben, sehe ich meine Enkelkinder leider nicht so oft, wie ich es mir wünschen würde. Wenn sie aber einmal bei mir sind, gehört meine ganze Zuwendung ihnen. In meiner Freizeit versuche ich zudem aktiv zu sein. Ich betreibe regelmäßig Sport und bin mit meinem Mann viel unterwegs. Außerdem bin ich leidenschaftliche Gärtnerin.
Endlich dürfen alle Hotels wieder Gäste willkommen heißen. Wie haben Sie ihr Team und das Boutique Hotel Stadthalle auf die Wiedereröffnung und die Zeit danach vorbereitet?
Wir hatten ein Team-Building-Event. Dabei kamen alle Mitarbeiter*innen zusammen, aßen und spielten. Natürlich unter Einhaltung von Sicherheitsabständen: Jede/jeder hatte einen eigenen Tisch im Frühstücksraum. Danach übernachteten alle im Hotel, wobei jedes Team-Mitglied in einem eigenen Zimmer untergebracht war. Das war unser Auftakt für die Wiedereröffnung.
Dann ging es ans Eingemachte: Buchungen gingen ein, Reinigungsarbeiten wurden erledigt, Schulungen abgehalten. Darüber hinaus hatten wir uns das Ziel gesetzt, unserer Rolle als Gastgeber*innen noch mehr nachzukommen und aus dem starren Denken in Abteilungen auszubrechen. Das hat dazu geführt, dass wir in unserem Hotel nur mehr über zwei Teams verfügen, die Gastgeber, also jene die front-stage sind, und die guten Engel im Back-stage-Bereich.
Die Vorfreude auf die Wiedereröffnung ist im gesamten Team spürbar. Die Buchungszahlen sind zwar nicht auf dem Niveau vor der Krise, wir beobachten jedoch eine steigende Nachfrage, sind also hoffnungsvoll und motiviert.
Die Welt nach der Pandemie wird auch für die Hotellerie und Gastronomie eine andere sein. Was bedeutet das für den Unternehmensalltag, speziell in Bezug auf den Mitarbeiterverlust in Folge der Corona-Krise?
Es ist derzeit noch fraglich, was wir bei der Politik für unsere Branche noch erreichen werden können. Der Fokus liegt derzeit vor allem auf der Wiedereröffnung der Hotellerie selbst. Natürlich hat die Krise zu einer Abwanderung von Arbeitskräften geführt, so dass manche Hotels aus Mitarbeitermangel das eine oder andere Angebot nicht hochfahren können. Hier gilt es, Maßnahmen zu setzen, um betroffenen Hoteliers unter die Arme zu greifen.
Für mich steht jedenfalls fest, dass die Arbeitnehmer, deren berufliche Leidenschaft in der Hotellerie angesiedelt ist, früher oder später auch wieder dorthin zurückkehren werden.
Hoffnungsvoll stimmen mich Meldungen von Hotels, die davon berichten, dass abgewanderte Mitarbeiter wieder zurückkehrten. Dann gibt es auch diejenigen, die quasi in Österreich gestrandet sind. Ich meine jene, die in der Gastronomie auf Schiffen gearbeitet haben. Auch diese Arbeitskräfte werden zumindest für eine Zeitlang in der hiesigen Hotelbranche anheuern. Für mich steht jedenfalls fest, dass die Arbeitnehmer, deren berufliche Leidenschaft in der Hotellerie angesiedelt ist, früher oder später auch wieder dorthin zurückkehren werden, egal, wohin es sie verschlagen hat. Zudem hoffe ich, dass wir viele junge Leute dazu begeistern können, eine Lehre in der Hotellerie zu beginnen: Es lohnt sich.
Sie sind seit März ein Vorstandsmitglied von respACT, wo es um Nachhaltigkeit und Digitalisierung in der Wirtschaft geht. Wie beurteilen Sie den Status der Digitalisierung in der Hotelbranche?
Viele Leute vergessen oft, dass der Tourismussektor immer federführend in Sachen Digitalisierung war. Digitale Bewertungs- und Buchungsplattformen wie Tripadvisor oder Booking.com gab es dort schon vor zwanzig Jahren. Ich sehe die Hotellerie hier als Trendsetter. Bevor man online Shoppen konnte, konnte man seinen Urlaub online buchen. Mittlerweile findet jeder Schritt, von der Idee, auf Urlaub zu fahren, über die Buchung bis zur abschließenden Bewertung digital statt. Wer also behauptet, die Hotellerie wäre in Sachen Digitalisierung rückständig, ist einem gehörigen Irrtum aufgelaufen.
Wo sehen Sie bei hotelkit die Vorteile in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Ich selbst bin ein großer Fan von hotelkit. Sensationell an der digitalen Plattform finde ich, dass das Wissen eines Betriebes nicht verloren geht – Auch das hat etwas mit Nachhaltigkeit zu tun, da man andernfalls immer wieder von vorne beginnen muss. Eine weitere großartige Eigenschaft des Tools ist der ungehinderte Informationsfluss zwischen allen Mitarbeiter*innen. Über jeden Wunsch eines Gastes im Bilde zu sein, ist für mich die Grundvoraussetzung für einen guten Gastgeber. Nehmen wir an, ich wäre ein Gast und meine Frau ist erkrankt. Wenn ich das jeden Tag aufs Neue der Rezeption berichten muss, lässt das einen katastrophalen Eindruck bei mir zurück. Bei uns im Hotel gibt es diese lückenhafte Kommunikation nicht mehr: Die Rezeption wäre darüber informiert, dass die Rettung in der vergangenen Nacht da war und ein Mitarbeiter sich um die Beschaffung des passenden Medikaments in der Apotheke gekümmert hat. Dieser besondere Service bleibt dem Gast in weiterer Folge im Gedächtnis und sorgt dafür, dass er wieder kommen wird.
Eine großartige Eigenschaft des Tools ist der ungehinderte Informationsfluss zwischen allen Mitarbeitern. Über jeden Wunsch eines Gastes im Bilde zu sein, ist für mich die Grundvoraussetzung für einen guten Gastgeber.
Was ich darüber hinaus sehr an hotelkit schätze, ist die Eigenverantwortung, die dadurch bei den Mitarbeitern gefördert wird. Der eine entscheidet sich dazu, die neuesten Meldungen schon am Vorabend anzusehen, um perfekt informiert in den Arbeitstag zu starten. Der andere wiederum sieht sich die Benachrichtigungen lieber im Dienst selbst an, weil er Arbeit und Privates trennen möchte. Was mir also so gut an dem digitalen Tool gefällt, ist, dass es jedem selbst überlassen ist, wie er dieses einsetzt.
Erwähnenswert im Bezug auf Nachhaltigkeit ist natürlich auch das papierlose Arbeiten, welches durch hotelkit ermöglicht wird. Ich erinnere mich noch gut an den papier-verschwenderischen Arbeitsalltag davor: Das Übergabebuch und die vielen Notizzetteln, die in weiterer Folge in der Gegend herum lagen. Auch die Innovation, die durch das Ideen-Tool in unserem Hotel Einzug gehalten hat, ist ein wahrer Segen für unseren Betrieb. Früher wurde über Ideen oft wochen- oder monatelang diskutiert, bis diese letztendlich umgesetzt, vergessen oder wieder verworfen wurden. Wenn nun ein guter Einfall über hotelkit geäußert wird, dauert es nicht lang bis zur Verwirklichung.
Die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) sind für Sie eine Herzensangelegenheit. Wie kann man als Hotelier hier einen Beitrag leisten?
Für mich macht es keinen Unterschied, welcher Berufsgruppe jemand angehört: Jeder hat die Möglichkeit, Nachhaltigkeit zu leben. Wichtig ist, dass man sich bewusst macht, welcher Bereich der Nachhaltigkeit in meinem Betrieb aufgrund der Gegebenheiten besonders gut umgesetzt werden kann. Auf diesem Fundament aufbauend kann die Nachhaltigkeit eines Unternehmens nach und nach gesteigert werden, sodass aus zwei definierten Zielen im nächsten Jahr bereits fünf werden.
Um meinen Ansatz an einem bekannten Beispiel zu veranschaulichen: Das Weiße Rössl am Wolfgangsee verfügt über eine eigene Fischerei, wodurch bereits der Gewässerschutz impliziert ist, da der Fisch nicht mit antibiotika-versetztem Futter aufgezogen wird. Das ist also ein Aspekt der Nachhaltigkeit, den das Weiße Rössl schon von Haus aus erfüllt. Darauf kann aufgebaut werden.
Vor der Corona-Krise war der Tourismus in manchen Regionen Österreichs zum overtourism einzelner Märkte geworden. Sollte man hier das Konzept langfristig verändern um nach der Krise eine ausgewogeneren und nachhaltigeren Tourismus auf die Beine zu stellen?
Absolut. Wir sollten uns die Frage stellen, ob Qualität nicht der Quantität vorgezogen werden muss. “Immer mehr, immer mehr” empfinde ich vor allem für eine Tourismusdestination wie Österreich nicht als die optimale Lösung. Von Menschenmassen, die sich durch Tourismusdestinationen zwängen, profitiert niemand: Nicht die ansässige Bevölkerung, nicht die dort arbeitenden Menschen und schon gar nicht die Touristen selbst. Ich bin daher eine Befürworterin einer Entzerrung der Touristenströme. Wir müssen darauf verweisen, was es sonst noch Sehenswertes gibt. Hier halte ich die Visitor-Strategie von Wien für geradezu vorbildhaft. Wien ist ja im Gegensatz zu anderen europäischen Großstädten eine Metropole mit einem eindeutig definierten Stadtzentrum, wo sich auch die Touristenströme konzentrieren. Deshalb achtete man in der Kommunikation darauf, auch andere Stadtteile touristisch attraktiv zu machen.
Wir sollten uns die Frage stellen, ob Qualität nicht der Quantität vorgezogen werden muss. “Immer mehr, immer mehr” empfinde ich vor allem für eine Tourismusdestination wie Österreich nicht als die optimale Lösung.
Schnelle Fragen / schnelle Antworten:
Die letzte App die ich runtergeladen habe war?
FITAPP
Android oder IOS?
IOS
Instagram, Twitter, Facebook oder Linkedin?
Facebook, LinkedIn und Instagram
3 Dinge die Sie auf eine einsame Insel mitnehmen würden?
Mein Handy, meinen Kindle und Kopfhörer
Dort wird Ihre nächste Reise hingehen sobald es wieder möglich ist?
Zu meinem Sohn nach Vietnam
Online check-in oder Rezeption?
Rezeption
Tee oder Kaffee?
Kaffee
In welches Restaurant werden Sie nach der Wiedereröffnung als erstes gehen?
In das Nautilus am Naschmarkt
Über Michaela Reitterer:
Michaela Reitterer, geboren 1964 in Wien, übernahm nach diversen Stationen im Tourismussektor 2001 das elterliche “Hotel zur Stadthalle”, welches sie 2002 zum “Boutiquehotel Stadthalle” erweiterte. 2009 war dies das erste Stadthotel weltweit mit einer Null-Energie-Bilanz. Nachhaltiges Qualitätsmanagement, Innovation und eine moderne Fachkräfteausbildung liegen der leidenschaftlichen Unternehmerin besonders am Herzen. Michaela Reitterer ist Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) und Vorstandsmitglied von respACT, Österreichs führender Unternehmensplattform für Wirtschaft. Für ihre besonderen Verdienste für Nachhaltigkeit im Tourismus wurde sie mit dem Silbernen Ehrenzeichen der Republik Österreich, dem Green Hotelier Award Europa, den Certificates of Excellence sowie dem Österreichischen Klimaschutzpreis des ORF ausgezeichnet.
Ein nachhaltiger und effizienter Arbeitsalltag ist auch dein Ziel?
Über den Autor
Michael Santner
Berichte von verarmten Dichtern während seines Studiums bewogen ihn dazu, seiner Passion an einem festen Arbeitsplatz nachzugehen. Im Marketing von hotelkit kümmert er sich darum, die Ideen seiner Kolleg*innen in spannende Geschichten zu verpacken.